Saarländischer Richterbund fordert Abschaffung des Einzelfallweisungsrechts der Justizminister gegenüber den Staatsanwaltschaften

Bundesjustizministerin Lambrecht hat im Bundestag einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften und der strafrechtlichen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union“ vorgelegt. Danach soll in bestimmten Fällen, die den strafrechtlichen Rechtshilfeverkehr innerhalb der EU betreffen, das bisher bestehende Einzelfallweisungsrecht der Justizministerien gegenüber den deutschen Staatsanwaltschaften beschränkt werden. Hintergrund ist die Folge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach Europäische Haftbefehle (deren Grundlage stets ein nationaler Haftbefehl ist, der von einem deutschen Gericht erlassen wurde) nicht von den deutschen Staatsanwaltschaften erlassen werden dürfen. Vielmehr müssen die Europäischen Haftbefehle, um innerhalb der EU anerkannt zu werden, (erneut) von einem Gericht erlassen werden. Die Staatsanwaltschaften können sie lediglich vorbereiten. Dies hat dazu geführt, dass sich die Gerichte in Deutschland zweimal mit demselben Haftbefehl befassen müssen und das Verfahren schwerfälliger geworden ist und länger dauert, als es die entsprechende EU-Richtlinie eigentlich beabsichtigt hat. Ziel war die Vereinfachung des europäischen Auslieferungsverkehrs, das Gegenteil ist in Deutschland der Fall. Grund für die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist, dass dieser die deutschen Staatsanwaltschaften im Gegensatz zu jenen in anderen Staaten der EU als nicht ausreichend unabhängig von politischer Einflussnahme ansieht.

Gegner einer Abschaffung des externen Weisungsrechts im Einzelfall (so auch der Saarländische Justizminister in einer gemeinsamen Erklärung mehrerer Justizminister vom 03.02.2021) verweisen auf die aus ihrer Sicht dann fehlende demokratische Legitimation der Staatsanwaltschaften. Diese Bedenken teilt der Saarländische Richterbund nicht:

Der Deutsche Richterbund tritt seit vielen Jahren für eine vollständige Abschaffung des ministeriellen Weisungsrechts ein und hat bereits im September 2015 einen Reformvorschlag vorgelegt. Danach soll das Weisungsrecht im Einzelfall abgeschafft werden und die wegen des Demokratieprinzips erforderliche parlamentarische Kontrolle der Staatsanwaltschaften dadurch gewährleistet werden, dass die der parlamentarischen Kontrolle unterliegenden Justizministerien gegen eine Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gerichtlich einschreiten können. Was jedoch nach diesem Entwurf nicht mehr möglich sein wird, ist die ministerielle Verhinderung einer Anklageerhebung. Genau dieser „böse Anschein“ politischer Einflussnahme auf strafrechtliche Ermittlungen durch deutsche Staatsanwaltschaften, die nach dem Legalitätsprinzip ausschließlich an das Gesetz gebunden sind, hat aber zu der genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geführt.

Gerade in Zeiten der Erstarkung politischer Ränder und der immer stärkeren grenzüberschreitenden Aktivität organisierter Tätergruppen bedarf es einer Stärkung der Strafjustiz, damit sie ihre Arbeit frei von politischer Einflussnahme ausüben kann. Deutsche Staatsanwaltschaften müssen als vollwertige Partner der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der EU agieren können. Dies ist nach geltendem Recht nicht der Fall.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung geht zwar insgesamt noch nicht weit genug. Er stellt aber einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar und trägt dem Umstand Rechnung, dass die EU einen einheitlichen Rechtsraum für alle Bürger darstellen soll. Der Saarländische Richterbund fordert daher die Landesregierung auf, ihren Widerstand gegen das Gesetzesvorhaben der Bundesjustizministerin aufzugeben und sich darüber hinaus gehend für eine vollständige Abschaffung des Einzelfallweisungsrechts einzusetzen.